Training bis zum Muskelversagen ist eine Trainingsmethode, die besonders beim Kraftsport häufig angewandt wird. Denn viele sind der Meinung, dass der Faktor „Muskelversagen“ eine Schlüsselrolle für optimalen Muskelaufbau sei. So solle am besten jeder Satz mit dieser Trainingsmethode ausgeführt werden. Doch stimmt das? Ist es wirklich so hilfreich bzw. effektiv bis zum Muskelversagen zu gehen? Ich kläre Euch in diesem Artikel auf.
Was ist überhaupt "Training bis zum Muskelversagen"?
Wenn der Muskel tatsächlich nicht mehr kann bzw. nicht mehr in der Lage ist, mit einem bestimmten Gewicht eine weitere Wiederholung auszuüben, spricht man vom Muskelversagen. Der Tank ist leer und die Hantel kann nicht mehr kontrolliert bewegt werden. Viele trainieren beispielsweise beim Bankdrücken mit einem sogenannten „Spotter“, der im Falle des Versagens hilft, die Stange nach oben zu drücken. Wenn beim Bankdrücken die Stange also nicht mehr alleine nach oben bewegt werden kann, so wurde bereits bis zum Muskelversagen trainiert. Manche absolvieren sogar ab diesem Punkt noch ein paar Wiederholungen mit einem Helfer. Doch ist das überhaupt nötig, um optimal Muskeln aufzubauen?
Muskelversagen für Muskelaufbau?
Folgende Studie1 hat sich genau mit diesem Thema beschäftigt und untersucht, ob und wie viel das Trainieren bis zum Muskelversagen wirklich bringt. Wenn es darum geht, Kraft aufzubauen und die Hypertrophie, also die Vergrößerung der Muskelfasern, anzuregen, ist Muskelversagen nicht zwingend notwendig. Das wiederholte Bewegen stimulierender Gewichte (optimaler Reiz) bei gleichzeitig ausreichender Kalorienzufuhr fördert den Muskelwachstum. Und wie bereits in dem Artikel „Trainingsfrequenz: Splitplan oder Ganzkörperplan“ erwähnt, spielt auch die Trainingshäufigkeit pro Woche eine entscheidende Rolle, um das maximale Hypertrophiepotenzial auszuschöpfen.
Allerdings wurde auch festgestellt, dass bei fortgeschrittenen Sportlern das sporadische Training bis zum Muskelversagen bestimmte Vorteile liefern kann. Insbesondere für das Überwinden von hartnäckiger Leistungsplateaus. Auch kann die Ausschüttung von Wachstumshormonen gesteigert, die Mobilisierung des Bewegungsapparats gefördert werden und damit auch der Aufbau von Kraft und Muskelvolumen. Wichtig ist hier jedoch, dass das Training bis zur Erschöpfung mit schweren Gewichten absolviert wird, um die genannten Resultate zu erzielen.
Aber die Forscher betonten, dass das Trainieren bis zum Versagen über einen längeren Zeitraum gegenteilige Wirkung erzielen kann. So droht dem Körper die Gefahr des Übertrainings und Überbeanspruchung mit erhöhtem Verletzungsrisiko. Es ist zwingend notwendig, dem Körper längere Erholungszeiten zu gönnen, wenn er bis zum Muskelversagen gefordert wurde.
Diese Studie2 fand sogar heraus, dass das Training bis zur Erschöpfung nicht unbedingt geeignet ist, um optimal Muskeln und Kraft aufzubauen. So wurden 43 männliche Ruderer in drei Gruppen eingeteilt, die alle die gleichen Übungen absolvierten, jedoch mit unterschiedlichen Methoden. Die erste Gruppe führte vier Übungen bis zum Muskelversagen aus, die zweite Gruppe führte die vier Übungen ohne Muskelversagen durch, die dritte Gruppe arbeitete nur mit zwei Übungen ohne Muskelversagen und dann gab es noch eine sogenannte „Kontrollgruppe“.
Die Schlussfolgerung nach der 8-wöchigen Studie war: Für Sportler ist es möglich, mehr Explosivkraft und Muskelmasse aufzubauen, wenn die Übungen nicht bis zum Muskelversagen durchgeführt werden.
Die Nachteile beim Training bis zum Muskelversagen
Das Problem bei dieser Methode ist die extrem hohe Belastung auf das Nervensystem. Dieses kann sich von der starken Belastung nur sehr schwer erholen, sodass die Regeneration negativ beeinflusst werden kann. Bekannter Weise ist die Regeneration aber einer der wichtigsten Faktoren für erfolgreichen Muskelaufbau. Auch die Trainingshäufigkeit pro Woche kann durch eine verzögerte Regeneration nicht gewährleistet werden.
Und wie bereits oben erwähnt, droht dem Körper bei einem häufigen Anwenden dieses Trainings eine erhöhte Gefahr des Übertrainings, was die Muskulatur mit der Zeit auch nachhaltig verletzen kann.
Fazit
Um Muskeln und Kraft aufzubauen, ist es nicht notwendig, jedes Training bis zum Muskelversagen zu absolvieren. Es kann dann sogar gegenteilige Wirkung erzielen, da die Regeneration stark beeinflusst wird und damit auch langfristig den Trainingserfolg behindern kann.
Wenn ein erfahrener Sportler an ein Leistungsplateau gelangt, welches unüberwindbar scheint, kann das sporadischeTraining bis zum Muskelversagen den Durchbruch bei einer Stagnation ermöglichen. Es sollte jedoch auf keinen Fall jedes Training bis zur Erschöpfung trainiert werden!